Der Rohdiamant – Einzigartiges Naturprodukt mit besonderen Eigenschaften
Rohdiamanten sind das direkte, unveränderte Produkt geologischer Prozesse, bestehend aus reinem Kohlenstoff, der tief im Erdmantel unter extremem Druck und hohen Temperaturen über Milliarden von Jahren kristallisiert ist. Die typische Kristallform ist der Oktaeder (eine Doppelpyramide), der durch Variationen im Wachstum auch würfelähnlich erscheinen kann, was einem gestauchten Oktaeder entspricht. Gefunden werden diese Naturwunder in primären Lagerstätten (Minen, oft in vulkanischen Gesteinen wie Kimberlit) oder sekundären Lagerstätten, sogenannten „Seifen“ – geologische Anreicherungen in Flussbetten oder Küstensedimenten, wohin die Diamanten durch Erosion transportiert wurden. Ein Rohdiamant ist absolut unbearbeitet und kann aus einem einzelnen, perfekten Kristall oder, wie viele der angebotenen Steine, aus einer Ansammlung kleinerer, miteinander verwachsener Kristalle bestehen, die unter der Lupe eine faszinierende Mikrostruktur offenbaren. Das Angebot umfasst diverse natürliche Farben wie Schwarz, Gelb, Grau und sogar Blau.
Die herausragendste Eigenschaft des Diamanten ist seine extreme Härte – mit einer Mohshärte von 10 ist er der härteste bekannte natürliche Stoff, etwa 140-mal härter als Korund (Saphir, Rubin). Diese Härte weist jedoch eine „Anisotropie“ auf, d.h., sie ist entlang der verschiedenen Kristallachsen unterschiedlich stark ausgeprägt. Nur deshalb ist es überhaupt möglich, Diamanten zu schleifen: Man verwendet Diamantpulver, dessen winzige Kristalle in allen Orientierungen vorliegen, sodass die härteren Achsen der Pulverkristalle den zu bearbeitenden Stein abtragen können. Trotz seiner Härte ist der Diamant aber auch spröde und kann bei einem harten Schlag, wie oft fälschlich in Filmen dargestellt, zersplittern. Selbst unachtsamer Umgang mit einer Pinzette kann bei Druckausübung entlang einer Spaltrichtung zu Beschädigungen führen. Daher erfordern Rohdiamanten, wie alle Edelsteine, eine sehr sorgfältige Handhabung. Neben ihrem Potenzial für Schmuck spielen Rohdiamanten aufgrund ihrer Härte auch eine wichtige Rolle in der Industrie, z.B. für Schneid- und Bohrwerkzeuge für harte Materialien wie Beton oder Stein, sowie in spezialisierten medizinischen Geräten.
Globale Herkunft, Abbau und die Realitäten der Diamantgewinnung
Rohdiamanten werden auf allen Kontinenten gefunden, wobei sich die Förderung auf einige Schlüsselregionen konzentriert. Die primären Quellen sind Kimberlit-Pipes, vulkanische Schlote, die diamantführendes Gestein aus der Tiefe an die Oberfläche befördert haben. Sekundäre Vorkommen finden sich in alluvialen Lagerstätten (Flusskiese, Strandsande, Meeresboden).
- Afrika: Ist der mengenmässig grösste Produzent (ca. 50-66% der Weltproduktion). Wichtige Länder sind Botswana (mit der hochprofitablen Jwaneng Mine), Südafrika (z.B. Venetia Mine, Cullinan Mine), Angola (Catoca Mine), Namibia (bedeutender Abbau von marinen Lagerstätten) und die Demokratische Republik Kongo sowie Sierra Leone. Die Geschichte des Abbaus in Afrika reicht bis 1866 zurück (Fund am Oranje-Fluss). Während früher oft von Hand geschürft wurde, dominieren heute grosse Minengesellschaften mit modernem Gerät. Dennoch ist die Branche in Afrika mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert: Umweltzerstörung, oft prekäre Arbeitsbedingungen (Unterbezahlung, Kinderarbeit wurde dokumentiert), politische Instabilität und die historische Problematik der „Blutdiamanten“, die zur Finanzierung von Konflikten dienten.
- Indien: War historisch eine der ersten Quellen (Kollur-Mine, Dekkan-Plateau) und seit dem 15. Jh. ein Handelszentrum. Heute ist Indien das weltweit grösste Zentrum für das Schleifen und Polieren von Diamanten – über 90% aller Diamanten werden hier bearbeitet (z.B. in der Bharat Diamond Bourse in Mumbai).
- Russland: Ist einer der grössten Produzenten nach Volumen, dominiert vom Unternehmen ALROSA, das Minen in Russland (z.B. die Mir-Mine, bekannt für grosse Diamanten) und eine Beteiligung in Angola betreibt.
- Kanada: Ist der drittgrösste Produzent und bekannt für hochwertige, ethisch unbedenkliche Diamanten. Die Hauptminen Ekati und Diavik liegen in den abgelegenen Nordwest-Territorien.
- Australien: Bekannt für die Kimberley-Region und insbesondere die Argyle-Mine (betrieben von Rio Tinto, 1983-2020). Argyle war, gemessen am Volumen, der grösste Diamantenproduzent der Welt und berühmt für sein breites Farbspektrum, darunter die extrem seltenen und wertvollen rosa und roten Diamanten („Argyle Pink Diamonds“). Die Mine basierte auf einem geologisch einzigartigen Lamproit-Schlot, der vor ca. 1,2 Milliarden Jahren entstand. Obwohl geschlossen, prägen Argyle-Diamanten weiterhin den Markt für Farbdiamanten.
Der Abbau erfolgt meist im Tagebau (Entfernen grosser Mengen Abraummaterials über dem Kimberlit-Schlot), in Schwemmlandgebieten (Auswaschen von Kies und Sand) oder im kostspieligeren Untertagebau (Anlegen von Tunneln).
Die Metamorphose zum Juwel – Schliffkunst, die 4Cs und weitere Qualitätsmerkmale
Die wahre Schönheit eines Diamanten, sein Feuer und seine Brillanz, werden erst durch den Schliff enthüllt. Ein Rohdiamant wird sorgfältig analysiert, um den maximalen Wert zu erzielen. Optimalerweise wird ein Oktaeder-Kristall knapp über der Mitte geteilt, um einen grösseren und einen kleineren Stein zu gewinnen, die dann geschliffen werden können. Der mit Abstand häufigste (ca. 85%) und begehrteste Schliff ist der runde Brillant, eine Form mit mindestens 57 (oft 58 mit Kalette) präzise angeordneten Facetten, die das einfallende Licht optimal reflektieren und in seine Spektralfarben zerlegen (Dispersion = „Feuer“). Dieser Schliff ist zwar aufwendiger und führt zu mehr Gewichtsverlust beim Schleifen als andere Formen („Fancyschliffe“ wie Princess, Marquise, Herz, Smaragd etc.), wird aber wegen seiner maximalen Lichtausbeute bevorzugt. Auch das Bohren von Diamanten (z.B. für Anhänger) ist möglich, erfolgt aber nicht mechanisch, sondern mittels Laser durch spezialisierte Firmen, meist in Asien.
Die Qualität und der Preis eines geschliffenen Diamanten werden international anhand der 4Cs bestimmt:
- Carat (Karat): Das Gewicht (1 ct = 0,2 Gramm; Beispiele: 0,5ct = 0,1g, 5ct = 1g). Der Preis steigt nicht linear, sondern überproportional mit dem Gewicht, da grössere Steine seltener sind.
- Color (Farbe): Bewertet wird die Abwesenheit von Farbe bei weissen Diamanten. Die Skala reicht von D (Hochfeines Weiss+/River+, absolut farblos und am seltensten) über E (Hochfeines Weiss/River), F (Feines Weiss+/Top Wesselton+), G (Feines Weiss/Top Wesselton), H (Weiss/Wesselton) bis Z (deutliches Gelb). Je näher an D, desto wertvoller.
- Clarity (Reinheit): Beurteilt das Vorhandensein und die Sichtbarkeit von inneren Merkmalen („Einschlüsse“) und äusseren Makeln. Die Bewertung erfolgt unter 10-facher Vergrösserung durch Experten. Die Stufen sind: IF (Internally Flawless/Lupenrein – keine inneren Einschlüsse), VVS1/VVS2 (Very Very Slightly Included – sehr, sehr kleine Einschlüsse, extrem schwer zu sehen), VS1/VS2 (Very Slightly Included – sehr kleine Einschlüsse, schwer zu sehen), SI1/SI2 (Slightly Included – kleine Einschlüsse, bei SI1 oft noch „augenrein“, bei SI2 manchmal mit blossem Auge erkennbar), I1/I2/I3 (Included – Einschlüsse mit blossem Auge sichtbar). Diamanten, deren Reinheit oder Farbe künstlich verbessert wurden („Clarity Enhanced“, „Color Enhanced“, z.B. durch Laserbohrung und Füllung, Bestrahlung, HPHT-Behandlung), sind für seriöse Anlagen völlig ungeeignet und müssen klar deklariert werden. Renommierte Labore erkennen solche Behandlungen.
- Cut (Schliff): Dies bewertet die Qualität der Schliffausführung, nicht die Form. Entscheidend sind Proportionen (Verhältnis Höhe zu Durchmesser, Grösse der Tafel, Winkel von Ober-/Unterteil), Symmetrie (präzise Ausrichtung der Facetten) und Politur (Oberflächenqualität). Diese drei Komponenten werden oft einzeln bewertet (z.B. von Excellent bis Poor). Ein exzellenter Schliff („Triple Excellent“ bei GIA/HRD für Cut, Polish, Symmetry) ist essentiell für maximale Brillanz und Feuer. Das IGI vergibt für ideal proportionierte Steine das Prädikat „IDEAL CUT“.
Zusätzliche Qualitätsmerkmale:
- Fluoreszenz: Das Leuchten des Diamanten unter UV-Licht (meist bläulich). Keine (None) oder schwache (Faint) Fluoreszenz ist bei hohen Farbgraden (D-H) bevorzugt, da starke Fluoreszenz milchig wirken kann. Bei niedrigeren Farbgraden kann eine blaue Fluoreszenz den Gelbstich etwas neutralisieren und den Stein weisser erscheinen lassen.
- Zertifikat (Expertise): Der „Pass“ des Diamanten, ausgestellt von einem unabhängigen, renommierten gemmologischen Labor. Es dokumentiert alle 4Cs und weitere Merkmale exakt. Für den internationalen Handel und Werterhalt sind nur Zertifikate von weltweit anerkannten Instituten wie GIA (Gemological Institute of America), IGI (International Gemological Institute) und HRD (Hoge Raad Voor Diamant Antwerpen) relevant. „Hauszertifikate“ von Juwelieren haben international meist keine Bedeutung.
- Lasergravur: Viele zertifizierte Diamanten haben die Zertifikatsnummer mikroskopisch klein auf der Rundiste (dem Rand) eingraviert. Dies ist mit blossem Auge unsichtbar, sichert aber die eindeutige Zuordnung von Stein und Zertifikat.
- Hearts & Arrows (H&A): Ein optisches Phänomen bei exzellent geschliffenen runden Brillanten. Bei Betrachtung durch ein spezielles Scope zeigt sich von oben ein Muster aus 8 symmetrischen Pfeilen und von unten ein Muster aus 8 symmetrischen Herzen. Dies erfordert höchste Präzision und ideale Proportionen, was zu mehr Zeitaufwand und Gewichtsverlust beim Schleifen führt und daher einen Preisaufschlag von 10-15% rechtfertigt.
Diamantenhandel, Preisbildung und der Aspekt der Wertanlage
Der Weg eines Diamanten von der Mine zum Endkunden ist komplex. Rohdiamanten werden von Minengesellschaften oft an grosse Händler verkauft, die in internationalen Diamantenzentren wie Antwerpen, Dubai oder Mumbai ansässig sind. Diese kaufen grosse Mengen („Lots“), sortieren sie und verkaufen sie weiter an Schleifereien oder andere Händler. Der Preis für Rohdiamanten hängt dabei von Grösse, Form, Reinheit und Farbe ab. Um den Handel mit „Blutdiamanten“ zur Finanzierung von Kriegen und Konflikten zu unterbinden, wurde 2003 der Kimberley-Prozess (KPCS) ins Leben gerufen. Teilnehmende Staaten verpflichten sich, nur Rohdiamanten mit offiziellen, fälschungssicheren Herkunftszertifikaten zu importieren und exportieren. Dies soll sicherstellen, dass die gehandelten Steine aus legitimen, konfliktfreien Quellen stammen (was z.B. auch zu Exportbeschränkungen für Rohdiamanten in Nicht-EU-Länder führen kann, wie im Text erwähnt).
Der Preis für geschliffene Diamanten bildet sich frei am Markt durch Angebot und Nachfrage und wird nicht zentral gesteuert. Er hängt massgeblich von den detailliert beschriebenen Qualitätskriterien (4Cs etc.) ab. Preislisten, wie die der IDEX (International Diamond Exchange), sammeln monatlich Verkaufspreise und geben Händlern und Käufern eine Orientierung über das aktuelle Marktniveau in US-Dollar pro Karat, aufgeschlüsselt nach Gewichtsklassen und Qualitätsstufen (Farbe/Reinheit). Zur Berechnung des Endpreises eines Steines wird der Listenpreis pro Karat mit dem genauen Karatgewicht multipliziert (z.B. 1,03 ct D/IF = 1,03 * Listenpreis für D/IF in der 1,00-1,24ct-Klasse). Hinzu kommen ggf. Mehrwertsteuer und Zölle.
Langfristig betrachtet zeigt der Preis für hochwertige natürliche Diamanten einen deutlichen Aufwärtstrend. Ein 1-Karäter in Top-Qualität (D/IF) kostete 1960 etwa 2.700 USD, 2010 bereits rund 25.000 USD. Dieser Trend wird durch zwei Hauptfaktoren gestützt:
- Begrenztes Angebot: Die natürlichen Diamantvorkommen sind endlich. Der Abbau wird immer aufwendiger und teurer, viele Minen nähern sich der Erschöpfung oder sind bereits geschlossen (wie die bedeutende Argyle-Mine Ende 2020), was das zukünftige Angebot verknappt.
- Steigende Nachfrage: Weltweit, insbesondere in aufstrebenden Industrieländern (früher Schwellenländer), wächst die Nachfrage nach Diamanten als Schmuck und Statussymbol stetig.
Aufgrund dieser fundamentalen Marktlage gelten hochwertige, natürliche Diamanten mit international anerkannten Zertifikaten als potenziell interessante Sachwertanlage und Mittel zur Vermögenssicherung. Diese Eignung als Wertanlage trifft jedoch ausdrücklich nicht auf synthetisch im Labor hergestellte Diamanten (Lab-Grown Diamonds) zu. Da diese künstlich und potenziell in unbegrenzter Menge produziert werden können, fehlt ihnen die natürliche Seltenheit, die den Wert von Naturdiamanten massgeblich bestimmt.